
Von der Zielgruppe zur Stilgruppe
Was Marken von Subkulturen lernen können
Warum traditionelles Targeting oft scheitert – und wie Subkulturen eine tiefere, menschlichere Möglichkeit bieten, Relevanz, Resonanz und eine echte Verbindung zur Marke aufzubauen. Marketer lieben es, Menschen zu definieren. Familien, Besserverdienende, Frauen zwischen 30 und 39, Sinus- oder Sigma-Milieus, Generationen wie Millennials und Gen Z. Aber diese groben Kategorien erfassen selten etwas Lebendiges oder Reales. Subkulturen hingegen sind lebendige Systeme – bestehend aus echten Menschen, gemeinsamen Codes, Verhaltensweisen, Sprache und Ritualen. Sie sind keine statischen Segmente oder Personas auf einer PowerPoint-Folie. Sie sind Mikrokosmen mit Bedeutung.

Lena Altorfer
Director Creative Strategy & Transformation
Einige Marken haben das verstanden
Adidas zum Beispiel. Sie verkaufen nicht nur an Läufer. Sie laufen mit ihnen. Sie betrachten die Konsumenten nicht als Markt, sondern als Kultur. Sie verstehen die Psychologie der morgendlichen Routinen, der Gemeinschaftsläufe, der Genesung nach Verletzungen, der Vorbereitung, der Pacing-Apps, der Playlists, der Rennen, der Socken, der Ausrüstung – einfach alles. Es geht nicht nur um die Passform eines Produkts. Es geht um die emotionale Passform.
Eines der deutlichsten Beispiele stammt aus den späten 1990er Jahren: die ikonische Kampagne «Runners. Yeah, we’re different».
Die Kampagne hat das Laufen nicht verherrlicht. Sie hat das Laufen unverfälscht gezeigt. Echt. Ungefiltert. Ein Läufer, der sich vor einem Rennen die Brustwarzen abklebt, während ein Zuschauer verwirrt zusieht. Adidas sagte: Wir wissen, wie es ist. Wir verstehen dich.
Das ist der Unterschied. Wer will, dass Menschen ein Produkt kaufen, muss zuerst verstehen, wie sie denken, handeln, sich bewegen, sich verhalten. Das ist der Anfang emotionaler Bedeutung. Und interessanter Erkenntnisse.

Subkulturen bieten etwas, was Zielgruppen niemals bieten können: Textur
«Familien» sagen nichts darüber aus, wie und worüber Menschen am Esstisch miteinander reden.
«Gen Z» sagt nichts dazu, ob jemand Discord, BeReal oder handgeschriebene Zines mit Freunden nutzt.
Diese Kategorien basieren oft auf Marktpotenzial und nicht auf menschlichem Verhalten.
Subkulturen kehren das um.
Sie zeigen, wo sich Menschen bereits versammeln. Was ihnen wichtig ist, worüber sie sich aufregen und worüber sie lachen.
Sie zeigen, was bereits lebendig ist. Wir müssen nur zuhören, daraus lernen und mit Respekt eintreten.
Mut zur Nische
Letztes Beispiel: Dunkin Donuts. Das Unternehmen hat sich ganz auf eine Gruppe konzentriert: Donut-Liebhaber. Sie haben nicht nach demografischen Daten segmentiert. Sie haben eine Leidenschaft genommen und darauf aufgebaut. Dort beginnt echte Loyalität – in Nischen, nicht in der Masse.
Nicht jeder ist eingeladen. Und genau darum geht es.
Subkulturen existieren nicht, um skalierbar zu sein. Sie existieren, um echt zu sein. Und in einer Welt voller Masseninhalte, Massenansprache und Massen-Performance-Dashboards ist Echtes selten. Das ist es, was andere anzieht.
Dieser Wandel verändert alles:
- Botschaften werden zu Anerkennung, nicht zu Überredung.
- Loyalität wird zu Übereinstimmung, nicht zu Bestechung.
- Wachstum wird zu Resonanz, nicht zu Reichweite.
Die Marken, die das nächste Jahrzehnt gewinnen werden, sind diejenigen, die aufhören, ins Leere zu schreien – und anfangen, dort einzutauchen, wo Menschen bereits leben, atmen, lieben und lachen.